Weshalb das Hören im Alter wichtig ist
Durch schlechtes Hören schreitet eine Demenz um 80% schneller voran. Hörbeauftragte Martina erklärt, was man für gutes Hören tun kann.
Du bist Betreuungsassistentin und Hörbeauftragte. Was ist denn eine Hörbeauftragte?
Martina: Kurz gesagt bin ich für das gute Hören unserer BewohnerInnen zuständig. Das Bayerische Ministerium hat im Rahmen des Präventionsprogramms “Hören und Kommunikation” geschult. (Darüber haben wir hier berichtet.)
Ich achte darauf, wer schlecht hört und gebe das an die Pflegekräfte weiter. Außerdem informiere ich Pflegekräfte, BewohnerInnen und Angehörige darüber, wie wichtig das Gehör auch im Alter noch ist. Und wir haben jetzt einen tollen Erfolg erzielt: Die Firma Hahn Hörgeräteakustik kommt für Serviceleistungen für unsere BewohnerInnen regelmäßig zu uns ins Haus, wartet Hörgeräte und macht kostenlose Hörtests. Sie vermitteln dann auch zum HNO-Arzt Dr. Metz in Ochsenfurt.
Warum ist Hören im Alter denn so wichtig?
Martina: Man denkt gar nicht, wie wichtig das Hören ist!
Silben und Buchstaben verlernt man schnell, wenn man nicht mehr gut hört und damit kommen dann Sprachprobleme. Dafür schämt sich die Person dann und entwickelt Ängste, isoliert sich und erleidet als Folge sogar Depressionen.
Und das Ohr ist auch für unser Gleichgewicht zuständig. Bei schlechtem Hörvermögen bekommt jemand dann Kopfschmerzen und Schwindel. Das beeinträchtigt das Laufen und damit erhöht sich die Sturzgefahr.
Hier im Pflegeheim ist Isolation auch ein ganz großes Thema: Ich höre oft „Ach was soll ich hier mitmachen. Ich höre ja nichts mehr.“ Und durch das Vermeiden von sozialen Kontakten und Gesprächen kommt es dann zu einem geistigen Abbau, weil man nicht mehr gefordert wird.
Amelie: Das mit Hörproblemen so negative Folgen einhergehen, hätte ich nicht gedacht!
Martina: Gerade in Zusammenhang mit Demenz spielt das Hören eine große Rolle. Eine große Folge schlechten Hörens ist die Demenz! Wer schlecht hört, der versteht nichts mehr, das Gehirn hat nix mehr zu denken. Dann werden keine Synapsen werden mehr gebildet und die Demenz schreitet um 80 Prozent schneller fort!
Amelie: Viele werden jetzt sagen, ein Hörgerät ist teuer.
Martina: Die Krankenkasse übernimmt da viel. Je nach Kasse hat man alle sechs Jahre Anrecht auf ein neues Hörgerät über ungefähr 700 Euro. Und das sind mittlerweile sehr gute Hörgeräte, die reichen auf jeden Fall. Leider bekommt man ein Hörgerät meist erst nach 10 Jahren und dann hat die Person schon viele Silben verlernt. Es ist also wichtig, sich so früh wie möglich um ein Hörgerät zu kümmern.
Amelie: Wie spreche ich mit jemandem, der nicht mehr gut hört?
Martina: Man sollte nicht lauter sprechen. Wichtig ist, auf Augenhöhe zu sprechen, damit derjenige den Mund sehen kann. Die Mimik ist auch wichtig und man sollte deutlich und langsam sprechen.
Dazu sollte man möglichst bekannte Wörter benutzen und kein hochtrabendes Vokabular oder Fachbegriffe. Die Sätze sollten kurz und prägnant sein. Und man sollte möglichst tief sprechen. Die hohen Töne gehen nämlich als erstes verloren.
Amelie: Was kann ich als Angehörige bzw. Angehöriger tun, wenn mein Familienmitglied schlechter hört?
Martina: Die Angehörigen können sich bei mir melden. Alle 8 Wochen kommt der Akustiker vorbei und schaut sich die Sache an. Das kostet nichts.
Und wenn jemand nicht bei uns im Haus wohnt, da kann man aber einfach mal mit der Person zum Hörgeräteakustiker gehen. So ein Hörtest kostet ja nichts.
Amelie: Und wenn jemand trotz Hörgerät schlecht hört?
Martina: Das Ohr kann einfach von Ohrenschmalz verstopft sein. Wenn jemand ein Hörgerät hat und das pfeift, kann ganz simpel Ohrenschmalz das Problem sein. Da kann man beim Waschen das Ohr sanft ausspülen oder es vom Arzt spülen lassen.
Und was Viele nicht wissen: Beim Hörgerät ist nach 8 Wochen meist der Innenfilter verstopft. Dann sollte es gewartet werden. Damit kann man viel beheben. Auch viele Pflegekräfte wissen manchmal nicht, wie man die Hörgeräte bedient. Einer Kollegin habe ich mal gesagt, dass die Batterien eines Hörgeräts leer sind. Sie wusste nicht, wie man das erkennt. Dabei gibt es da einen einfachen Trick.
Amelie: Welcher Trick ist das?
Du musst einfach nur das Hörgerät auf die Handfläche legen und mit den Fingern umschließen. Wenn es pfeift, heißt das, es gibt eine Gegenkopplung und die Batterie funktioniert. Ganz einfache Sache.
Amelie: So einfach!
Martina: Aber im Alltag wird das oft falsch gemacht. Dann kriegen sie die Hörgeräte rein, und die Batterie geht nicht.
Amelie: Und wenn jemand ein Hörgerät neu bekommt, worauf kommt es an?
Martina: Das ist dann erstmal ungewohnt für die Person. Und da muss man üben. Hier im Haus der Pflege üben wir Betreuungskräfte mit den BewohnerInnen.
Amelie: Kannst du uns eine Übung verraten?
Martina: Sprichwörter vervollständigen! Wir sagen ein bekanntes Sprichwort vor und lassen den Satz fertig machen. Zum Beispiel sage ich: „Viele Köche…“ und der Bewohner ergänzt „…verderben den Brei.“ So übt man und hat schnell ein Erfolgsgefühl.
Amelie: Wenn jemand alleine zu Haus ist braucht er die Hörgeräte aber nicht, oder?
Martina: Doch! Ein Hörgerät sollte 8 Stunden getragen werden. Du hast ja auch Geräusche, ohne dass ich mit dir spreche. Den Schlüssel, den Telefonanruf, die Vögel im Garten und die Nachbarn. Das Hören hat nichts mit Reden miteinander zu tun. Die Alltagsgeräusche sind extrem wichtig.
Amelie: Aber in großen Gruppen kommen Hörgeräte an ihre Grenzen, oder?
Martina: Ja, das stimmt. Wenn viele Menschen durcheinandersprechen, ist das ein Problem. Aber selbst bei den Kassengestellen kann man mittlerweile über ein Knöpfchen auf „Einzeln“ oder „Gruppe“ umstellen. Ein Versuch ist es wert. Und ich habe noch einen extra Tipp fürs TV schauen.
Amelie: Welcher Trick ist das?
Martina: Man kann mittlerweile Hörgeräte mit dem Fernseher verbinden. Das geschieht über einen TV Streamer oder TV Connector und kostet circa 100 Euro. Da sollte man sich unbedingt beraten lassen, denn dann macht Fernsehen wieder Spaß!
Amelie: Vielen Dank für das Gespräch: Gibt es sonst noch etwas, was unsere Leser wissen sollten:
Martina: Ja. Es ist ganz wichtig, dass man als Angehöriger oder Angehöriger drauf achtet. Die Leute, die schwer hören, nehmen das selbst nicht wahr. Und da würde ich gleich mal so einen Test machen.
Amelie: Danke für die vielen wertvollen Informationen.
Martina: Gerne. Es gibt ein Zitat von Helen Keller, das so einprägsam ist: „Blindheit trennt von Dingen, aber die Taubheit von den Menschen.“